Dienstag, 20. Juli 2010

Aus vollem Herzen Christ

Freudig überrascht war ich, als ich heute morgen am Frühstückstisch den Regional-Teil meiner Tageszeitung aufschlug und meine Augen auf den Artikel mit dem Titel "Keine Trolle in Hollfeld" fiel. Darin ging es darum, dass abermals ein Metal-Konzert im Wallfahrtsort Hollfeld stattfinden sollte. Dabei fiel die diesjährige Beratung genauso aus, wie beim letzten Mal: Nein.

Geplant war nämlich das "Black-Troll-Winterfestival" und ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit in einer mehrheitlich katholischen Gegend. Da ist die Bürgermeisterin von Hollfeld, Karin Barwisch, mein heutiges High-Light, denn sie ist
"aus vollem Herzen Christ"
und ihrer Meinung nach passt so ein Festival einfach nicht in das Glaubensleben der Gemeinde.

Leute, was will man denn mehr? Eine klare Entscheidung, ein klares Bekenntnis von christlichen Politikern (übrigens hat auch ein Grüner dagegen gestimmt - do schau her) und schon hat man seinen Schatz im Himmel vermehrt.

10 Kommentare:

Vincentius Lerinensis hat gesagt…

IBTD. Ich halte es nicht gerade für ein sonderlich ausgeprägtes Zeugnis, einem Konzert die Genehmigung zu verweigern, wenn man nicht damit rechnen muß, von irgendjemand Relevanten dafür angegriffen zu werden. Und den Metallern wird das mal wieder alle Vorurteile gegen das Christentum bestätigt haben. Aber das macht ja nichts.

Johannes hat gesagt…

"Von ganzem Herzen Christ" So ein Satz in der Zeitung?! Einrahmen!!!

Lumen Cordium hat gesagt…

@Vincentius Lerinensis

Ehrlich gesagt ist es mir nicht so wichtig, welche Vorurteile die Metaller meinen haben zu müssen. Noch dazu, wo es ja nicht einfach nur um eine Musik-Richtung geht, sondern in einigen Fällen auch um gelebtes Heidentum. Die würden diese Vorurteile auch dann nicht abstreifen, wenn sie in Hollfeld aufspielen dürften. Das kenne ich persönlich schon aus vielen fränkischen Gegenden, wo man sich seitens der CDU den neuen Jugend-Kulten anbiederte, in der Hoffnung man käme gut dabei weg. Ist aber so gut wie immer fehlgeschlagen.

Vincentius Lerinensis hat gesagt…

Die CDU ist in Franken so oder so nicht sonderlich erfolgreich :-)

Es geht mir auch gar nicht darum, daß dort unbedingt ein Metalkonzert hätte stattfinden müssen. Gibt bestimmt genug Gründe. Aber warum muß man bei einer solchen Lappalie gleich den Glauben als Begründung rausholen? Das wirkt doch ein wenig nach "Kanonen" und "Spatzen". Und da frage ich mich halt, ob Frau Barwisch auch ihren Glauben anführen würde, wenn es etwa um einen CSD ginge. Da hätte sie mit so einem Statement immerhin was zu verlieren, bei Metal nicht.

Dir mögen die Vorurteile der Metaller egal sein, mir sind sie es nicht. Insbesondere dann nicht, wenn ich immer wieder durch Bestätigungen dieser Vorurteile gegen Wände renne.

Lumen Cordium hat gesagt…

Ich denke man kann aufgrund dieser Begebenheit sicher nicht darauf schließen, dass Frau Barwisch bei einem CSD nicht ähnlich reagiert hätte.

Ich war selbst einige Jahre lang in der Metal-Szene, aber mich stört das keineswegs.

Wieso rennst du gegen Wände? Was würdest du manchen Metallern denn über Christen erzählen?

. hat gesagt…

@LC:
Einen CSD abzulehnen ist politischer Suizid.

Vincentius Lerinensis hat gesagt…

Natürlich geht da nicht draus hervor, daß sie nicht auch beim CSD diese Begründung gebracht hätte. Allerdings geht auch nicht hervor, daß sie diese Begründung gegen den CSD angeführt hätte. Jedenfalls habe ich per Google nichts gefunden, was auch nur ihre Konfession erkennen ließe, geschweigedenn ein persönliches Zeugnis oder so. Der Unterschied zwischen Metal und CSD ist: Bei einer Ablehnung des Metals wir sie es in die Regionalzeitung, vllt. ein paar Metal-Webzines und möglicherweise zu einer Randnotiz in der einen oder anderen Metalzeitschrift bringen. Beim CSD sähe sie sich schon seit einer halben Woche mit einer deutschlandweiten Kampagne konfrontiert, die ihren Rücktritt fordert. Das wäre Zeugnis, denn das tut weh. Metal zu kritisieren tut keinem weh.

Ich aber renne gegen Wände, weil immer dann, wenn ich mal jemanden soweit habe, Christen die Fähigkeit einzuräumen, selbst zu denken und tatsächlich aus freien Stücken zu glauben und der Kirche anzuhängen, irgendwo wieder was passiert, was eben alle Vorbehalte gegen Kirche, Christen und Glauben bestätigt.

Das Problem ist ja nicht, daß Metaller grundsätzlich was gegen Kirche hätten (zumindest die, die sich mit mir unterhalten ;-), sondern Kirche als Teil einer verlogenen Gesellschaft wahrnehmen, der es mehr um den eigenen guten Ruf (und Geld) geht, die schön im Strom mitschwimmt und für gar nichts steht, Metal dagegen als etwas, das genau diese schöne heile (man könnte auch sagen: politsch korrekte) Welt angreift und in Frage stellt.

Mit anderen offensiv geäußerten Ansichten können nach meiner Erfahrung die meisten umgehen. Womit sie nicht klarkommen (wollen), ist, wenn über sie, aber nicht mit ihnen diskutiert wird. Und gesteigert ist das ganze noch, wenn sie mit Machtmitteln "unterdrückt" werden (nicht weil es sie selbst sonderlich trifft, sondern weil sie es als Beweis der Heuchelei sehen). Und als genau so ein Machtmittel wirkt mit Sicherheit die Entscheidung eines Gemeinderates. (Hm, sehe gerade, daß das so gar nicht dasteht, bin aber durch "Bürgermeisterin" und "Grüner" davon ausgegangen, daß das eine politische Entscheidung war.)

Verrückterweise kam ich bisher mit Bischöfen vom Format Dyba oder Mixa weiter als mit den durchschnittlichen oder auch herausragenden Vertretern der Konsensekklesiologie. Gut, EB Meißner und Papst Benedikt sind irgendwie nicht ganz "handfest" genug, und letztlich geht es dabei auch nicht um die Anerkennung deren Lehre. Aber Metaller scheinen mir Respekt vor Kirchenvertretern haben zu können, die eben nicht den Mainstream nachplappern. Und die Ablehung des Metals auch christlicher Sicht ist nach Auffassung der Metaller Mainstream, der in aller Regel gar nicht weiß, was er da verurteilt.

Sicherlich gibt es viel Problematisches im Metal, das man zu Recht kritisieren kann und darf und muß -- was auch jeder Metaller einräumt (wenn auch jeder was anderes ;-). Aber die meisten machen es sich nach Metallersicht zu einfach (insbesondere eben mit Machtmitteln). Das hat dann ungefähr die Wirksamkeit wie "alle (Neu-)Heiden sind Neonazis".

Lumen Cordium hat gesagt…

Nun verstehe ich deinen Einwand besser :-).

Ich dachte, als ich den Zeitungsartikel las: wow, wenigstens einmal liest man, dass hinter einer Entscheidung das Christ-Sein steht und die Metaller können das wohl mal verkraften. Und genau das war mir wichtig es zu erwähnen, weil es so selten geworden ist. In Zeitungen redet man immer nur von Institutionen und Konfessionen - nie aber über das Christ-Sein und dass man es in seine Arbeit einfließen lässt. Klar war diese Meldung nur eine kleine Fliege, aber wie gesagt - ich fand es das wert.

Im Metal gibt es sehr unterschiedliche Genres ... einige Metalbands haben sogar christlichen Hintergrund und ich denke es geht hier auch gar nicht mal um die Musikrichtung des Metals, sondern um die unterschiedlichen Gruppen, die sich diesen Stil für ihre eigenen Ideologien oder Überzeugungen auf die Fahne schreiben. Unter anderem eben Neuheiden; oder Neonazis; oder Satanisten; oder Misanthropen - wo es nicht nur bei der Musik bleibt und ich finde da kann man durchaus Verständnis dafür aufbringen, dass man gegen so einen Auflauf in einem mehrheitlich katholischen Ort ein Veto einlegt. Auf beiden Seiten.

Für die Verständigung untereinander ist es meiner Meinung nach auch nicht nötig eine Metalband mit satanischen Symbolen im Pfarrheim auftreten zu lassen - so geschehen in Österreich. Das macht Christen und das, wofür sie einstehen, doch sehr unglaubwürdig, wenn nicht sogar lächerlich.

Daher denke ich, dass man auf beiden Ebnen über das Ziel hinausschießen kann.

. hat gesagt…

Es gibt auch (Death) Metal Bands, die mit Vorliebe auf Kirchendächer den roten Hahn setzen ...
Die würde ich nicht ohne weiteres einladen ...

Vincentius Lerinensis hat gesagt…

Jede "christliche" Anbiederung an den Metal ist Schwachsinn. Metal provoziert und will provozieren (je nach Genre unterschiedlich stark und mit unterschiedlichen Zielen). Kirchenhasser (und sei es in einer ästhetischen Inszenierung) in die Kirche einzuladen ist, als ob man aus dem Kakao, durch den man gezogen wird, auch noch trinkt.

Individuell halte ich Metal und Glaube durchaus für kombinierbar, aber kollektiv/institutionell -- unmöglich. Außerdem wäre Metal langweilig, wenn er nicht mehr provozieren und "die tote Christenheit aus ihrem Schlaf der Sicherheit wecken" kann.